Spatzen, Hyänen und Parkinson: Justus Neumann im MuTh
10/04/2023Seine „Alzheimer Symphonie“ beeindruckte vor zehn Jahren in Wien und räumte 2015 gleich sechs Tasmanische Theaterpreise ab. Zu einer „Parkinson Elegie“ wurde die „dramatische Lesung“, die der 1987 nach Tasmanien ausgewanderte Wiener Schauspieler Justus Neumann (75) am Dienstag im Wiener Muth erstmals präsentierte, nicht – und doch herrschte bei „Die Weisheit des Herrn Parkinson“ gehörig Abschiedsstimmung im Saal. Die Emotionen schwangen von der Bühne und zurück.
Der Abend, den Neumann am Donnerstag noch einmal zeigt, zerfällt in zwei Teile. Im ersten erfährt seine Figur, die er mit dem charakteristischen Händezittern ausstattet und von einem Eisberg über der Brust und einem Vulkan auf dem Kopf berichtet, von der deprimierenden Parkinson-Diagnose und entschließt sich diese anzunehmen und Mr. Parkinson ihr Herz zu öffnen. Im zweiten Teil liest er – auf der E-Gitarre begleitet von seinem Sohn Julius Schwing – seine surreal anmutende Geschichte über die alte Ballerina Mariechen, die soeben auch als Klangbuch im Mandelbaum Verlag erschienen ist.
Fast jeden der Besucher haben Erinnerungen an den großen Wiener Schauspieler hergeführt – entweder aus seiner Zeit als prägender Nestroy-Darsteller der Stadt, oder an seine ebenso furiosen wie absurden One-Man-Shows, die er als Gastspiele aus Tasmanien mitbrachte. Seit einem Jahr ist Justus Neumann an Parkinson erkrankt. Was diese Krankheit mit ihm macht, wollte er seinem treuen Heimatpublikum zeigen. Das ist nicht immer lustig. Aber noch immer Grund genug, sich darüber lustig zu machen.
Also singt er etwa „I did it my way“ („And now the end is here / And so I face that final curtain“) und veranstaltet mit seinen „lieben, braven, tapferen Soldaten“ einen Lach- und Blödelworkshop, bei dem das Publikum etwa kollektiv über einen Millionen-Lotto-Haupttreffer jubelt. Bei jedem anderen hätten manche keine Miene verzogen – bei Justus Neumann, diesem Wandler zwischen nicht nur geografischen Welten, machen alle ohne zu zögern mit. Denn der erzählt im nächsten Moment vom Tod und einem Traum, der ihn nach seinem letzten Schnaufer auf einen goldenen Sessellift gen Himmel befördert, der wie ein höllisches Wintersportparadies anmutet.
Genie und Verrücktheit, buddhistische Gelassenheit und bubenhafter Schalk wohnten immer schon Tür an Tür in der Mehrparteien-Menschenhülle namens Justus Neumann. Und wenn er nach der Pause in dem von Hanspeter Horner inszenatorisch betreuten Abend aus „Die alte Ballerina oder der Tod ist ein Geigensolo aus Watte“ liest, dann begegnet man einem aus Hyänen bestehenden Tanzorchester, einem sieben Meter langen Nilkrokodil und einem meist besoffenen Spatzenchor, ohne dass einem das sonderlich seltsam vorkäme.
Justus Neumann liebt Sätze wie „Eine Meereswelle wird von einem Justizwachebeamten beschlagnahmt“. In dem soeben im Ibera Verlag erschienenen Buch „Schon morgen fliege ich meinem Speer auf und davon“ zeigt er auf wunderbaren Fotos von Wolfgang Kalal wie er auf Bruny Island Strand, Wellen und vieles andere als Bühne und Requisite für seine aus solchen Sätzen gebildeten Minidramen nimmt.
Die alte Ballerina nimmt Abschied mit ihrer alten Familienweisheit „Es kommt immer so, wie es ist.“ Hauptsache es geht nicht immer so, wie es war. Es geht nämlich auch anders: Am Donnerstag wird Justus Neumann im Wiener Rathaus das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien überreicht.
(S E R V I C E – „Die Weisheit des Herrn Parkinson“, weitere Vorstellung am 5. Oktober, 19.30 Uhr, MuTh, Wien 2, Am Augartenspitz 1, Karten: 01 / 347 80 80, )
(APA)
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